Messen als ein Spiegelbild der Wirtschaft Direkt neben der vertrauten Grugahalle, in der in den 70er Jahren der Rockpalast seine legendären Livekonzerte für die ARD veranstaltete, fand dieser Tage in den Essener Messehallen die „Schweißen & Schneiden“ statt. Als internationale Leitmesse der Branche kommt ihr eine zeitliche Schlüsselrolle zu: sie ist der aktuelle Gradmesser für die Stimmung und Erwartungshaltung im B2B-Bereich in Deutschland. Die bange Frage, die sich alle Messeteilnehmer stellen, lautet daher: Zieht die Konjunktur tatsächlich wieder an?
Und die Signale scheinen positiv. Es geht aufwärts, von Krisenstimmung keine Spur. Die Rezession scheint tatsächlich hinter uns zu liegen. Menschenmassen, wie wir sie eher vom Münchener Oktoberfest und ähnlichen Veranstaltungen kennen, strömen von der ersten Minute an durch die Hallen. Und das nicht nur, um sich mit den üblichen Messeutensilien zu versorgen, sondern auch um intensiv Gespräche zu führen. Ein Umstand, der viele Messeaussteller nach der krisenbedingten Dürreperiode angenehm überrascht und ermutigt. Mit anderen Worten: Ein dicker Silberstreif am Horizont zieht auf.
Ebenso interessant: Inmitten des Messe-Getümmels fällt auf, dass die einzelnen Stände sich zum Teil erheblich unterscheiden und in verschiedene Kategorien aufteilen lassen:
Die Platzhirsche
Die Stände der Big-Player der Branche sind immer überfüllt. Sie bieten eine Mischung von Szenetreff und Stammlokal. Die Stimmung ist gut, man kennt sich, freut sich, sich wiederzusehen und tauscht gemeinsame Leidenserfahrungen der letzten 12 Monate aus. Das Publikum besteht meist aus Stammkunden. Neukundengespräche werden geführt, doch aufgrund des Andrangs nur mäßig dokumentiert.
Die Frustrierten
Daneben gibt es aber auch über-designte, fast schon steril wirkende Stände bekannter Großunternehmen mit mäßigem Besucherandrang. Ihre Erkennungsmerkmale: Unter anderem unabgestimmte Hostessen und Außendienstmitarbeiter, die in ihr Handy oder ihren BlackBerry vertieft sind, und sich demonstrativ mit sich selbst beschäftigen. Ihre Art auf den fehlenden Andrang zu reagieren, die das Problem allerdings noch verschlimmert.
Die Naiven
Ein „Klassiker“ sind jene produktüberladenen Messestände mit Verkäufern, die sich unerreichbar hinter ihren Tischen und Theken verschanzen. Auf ihrem Tisch stehen neben dem Notebook die Reste des letzten Imbisses, was alles in allem keinen wirklich gesprächigen und einladenden Eindruck vermittelt. Sie haben häufig attraktive Produkte, aber ohne aktives Zugehen auf die Kunden bleiben sie „Nobodies“. Die Kosten für ihre Messeteilnahme hätten sie sich also auch sparen können.
Die Top-Scorer
Und dann gibt es da noch diese kleine aber feine Minderheit. Sie präsentiert sich auf kleinen bis mittelgroßen Flächen und versprüht eine ehrliche und positive Aufbruchstimmung. Ein solcher Messestand lebt. Nur wenige Besucher sitzen, die meisten stehen, und die Verkäufer notieren sich eifrig alles mit und archivieren die Ergebnisse professionell. Man spürt den Team-Spirit zwischen Verkauf und Standpersonal, der sich überträgt und zusätzliche Besucher anzieht.
Das Erfolgsrezept eines solchen, besonders positiv Auftritts verriet Uwe Henze, Geschäftsführer der Capilla Schweißmaterialien GmbH aus Bielefeld: Vor der Messe wurde das gesamte Team gemeinsam gebrieft und setzte sich dabei zwei konkrete Ziele:
1. Am Stand soll möglichst kein Passant ohne ein Gespräch vorbei gehen. Dazu sprechen zwei Hostessen, zufällig auch noch Zwillinge, charmant und intelligent die vorbeigehenden Besucher an und führen Sie bei Interesse zu den Verkäufern.
2. Binnen zwei Wochen nach der Messe soll mit jedem Messekontakt ein persönlicher Termin in seinem Unternehmen vereinbart sein.
Fazit: So unterschiedlich sich Firmen durch ihren Messeauftritt präsentieren, so unterschiedlich fällt meist auch die anschließende Resonanz des Unternehmens aus. Während die einen verhalten optimistisch sind, werden die anderen von einem Flop sprechen und ein paar wenige reiben sich die Hände und starten durch. Für die einen wird damit die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit bald der Vergangenheit angehören und für die anderen wird sie auch im Jahr 2010 selbstverschuldet erhalten bleiben und an der Substanz zehren. Obwohl für alle die Ausgangsbedingungen auf der Messe die gleichen waren. Somit spiegeln denn auch Messen bestens wider, was die wachstumsstarken Champions von der grauen Masse unterscheidet: Spitzenunternehmen nutzen jeden Wachstumshebel, der sich bietet - und der Rest lebt von den Krümeln.