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14.01.2009

Wettlauf gegen den Schlaganfall

ANIM 2009 diskutiert Gegenwart, Zukunft und Chancen der neurologischen Intensiv- und Notfallmedizin „Zeit ist Hirn“, sagen Neurologen. Gerade bei akuten Erkrankungen wie dem Schlaganfall zählt jede Minute, um möglichst viel Hirngewebe vor dem unwiederbringlichen Untergang zu retten. In kürzester Zeit muss die Behandlung beginnen. Hält der durch den Schlaganfall erzeugte Blutmangel im Hirn an, können sich die Ausfälle nicht mehr zurückbilden. Wie sich das therapeutische Zeitfenster für neurologische Akutbehandlungen möglichst lange offen halten lässt, debattieren mehr als 1.500 Fachleute auf der 26. Arbeitstagung für Neurologische Intensiv- und Notfallmedizin ANIM 2009 vom 22. bis 24. Januar 2009 in Leipzig. Im Mittelpunkt des von der Deutschen Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin veranstalteten Kongresses stehen moderne, intensivmedizinische Behandlungsmethoden neurologischer Erkrankungen sowie Visionen für die Zukunft.

Schlaganfälle gehören zu den wesentlichen Ursachen für erworbene Behinderungen bei Erwachsenen. Mehr als 200.000 Deutsche sind jedes Jahr erstmals von solch einem Akutereignis betroffen, 40 Prozent versterben innerhalb eines Jahres (Bundesministerium für Gesundheit, 2008). Ein Jahr nach dem Schlaganfall bleiben rund 64 Prozent der überlebenden Patienten pflegebedürftig (Stiftung deutsche Schlaganfall-Hilfe). Auch aufgrund der hohen Patientenzahlen der „neurologischen Volkskrankheit“ Schlaganfall ist die stationäre Neurologie inzwischen ein Notfallfach: „In den neurologischen Akutkliniken Deutschlands werden heute durchschnittlich 75 Prozent der stationären Patienten als Notfälle aufgenommen. Davon sind ein großer Teil Schlaganfallpatienten“, erklärt Dr. med. habil. Jörg Berrouschot, Tagungspräsident der ANIM 2009 und Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Altenburger Land GmbH. „Neurologische Notaufnahmen stellen an manchen Kliniken schon die größte Untergruppe aller Notaufnahmen.“

Besonders effektiv ist die intensivmedizinische Betreuung in einer auf Schlaganfälle spezialisierten Stroke Unit: Für die meisten Patienten beginnt dort die Therapie sofort. Auf einer Stroke Unit behandelte Schlaganfallpatienten erzielen nach drei Monaten ein um 25 Prozent besseres Ergebnis (Deutsche Gesellschaft für Neurologie DGN/Deutsche Schlaganfall Gesellschaft DSG, 2008). Laut hessischer Schlaganfalldatenbank erhalten 28 Prozent der Patienten mit stationärer Aufnahme innerhalb von drei Stunden nach dem Akutereignis in Kliniken mit Stroke Units eine Thrombolyse. In Kliniken ohne diese Spezialeinheit sind es lediglich 6 Prozent (DGN/DSG, 2008). Bei der Thrombolyse oder auch Lyse werden Gerinnsel aufgelöst, welche die Blutbahn zum Hirn verstopfen - diese Behandlung gilt als sehr Erfolg versprechend, darf bisher aber nur innerhalb von drei Stunden nach Auftreten der Erstsymptome durchgeführt werden.



Neue Hoffnung gibt die European Cooperative Akute Stroke Study (ECASS 3), nach der die Lyse auch bis zu 4,5 Stunden nach einem Schlaganfall erfolgreich sein kann. Die Untersuchung gilt als wichtigste Studie der letzten zwölf Jahre für die Therapie akuter Schlaganfälle, zahlreiche deutsche Kliniken waren federführend beteiligt, darunter die Universitätsklinik Leipzig und das Klinikum in Altenburg. Studienleiter Professor Dr. Werner Hacke, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik in Heidelberg, wird die Studie in Leipzig während der ANIM 2009 zum ersten Mal auf einem großen Kongress in Deutschland präsentieren. „Diese neuen Erkenntnisse erweitern das Zeitfenster für die Behandlung, davon werden viele Patienten profitieren“, ist Tagungsleiter Berrouschot überzeugt. Obwohl die Thrombolyse seit über zehn Jahren im Einsatz ist und das Risiko einer Behinderung senkt, käme bisher nur ein geringer Prozentsatz der Schlaganfallpatienten in den Genuss dieser Therapie.
„Deutschland verfügt mit 200 Stroke Units im internationalen Vergleich über ein sehr gutes Netzwerk neurologischer Schlaganfall-Spezialstationen“, betont Dr. Berrouschot. „Auf diesem Gebiet ist die deutsche Neurologie Weltspitze.“ Trotzdem würden bisher nur rund 60 Prozent aller Schlaganfallpatienten auf einer Stroke Unit behandelt. „Die Aufgabe der kommenden zehn Jahre ist der Aufbau weiterer Stroke Units sowie die Erweiterung des Stroke-Unit-Konzeptes auf frühe Rehabilitation mit zusätzlichen Betten - wie es zum Beispiel schon in Skandinavien praktiziert wird.“ Dies verbessere die lückenlose Therapie durch multidisziplinäre Teams, in denen Neurologen, Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden Hand in Hand arbeiten. „In Altenburg erweitern wir gerade das Schlaganfall-Zentrum um zehn Betten für die frühe Rehabilitation, die in die Stroke Unit integriert werden.“

Der demografische Wandel stellt die neurologische Intensiv- und Notfallmedizin vor neue, große Herausforderungen: „Schlaganfall ist vor allem eine Krankheit der Älteren“, betont Neurologe Berrouschot. „Bei den 35- bis 45-Jährigen kommen auf 100.000 Einwohner 20 Betroffene - bei den Über-80-Jährigen sind es bereits mehr als 2.000 Fälle.“

Hintergrund Schlaganfall:
Durchblutungsstörungen oder auch Blutungen in bestimmten Gehirngebieten, häufig verursacht durch Gefäßverschluss. Führt zum Absterben von Gehirnzellen. Folgen können Lähmungen, Sprach- und Gedächtnisstörungen sowie Koma sein. Nach neueren Studien erhöht ein Schlaganfall auch das Risiko einer Demenz-Erkrankung.




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