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15.01.2009

Im „Wolkenzug“ auf schwindelerregende Höhen

Argentinien ist das außereuropäische Partnerland der CMT 2009 / Das „Land der Gauchos“ hat mehr als Pampa und Patagonien zu bieten
Romina Jorge hat für jeden Passagier ein Lächeln übrig. Selbst am frühen Morgen kurz nach 6:30 Uhr. „Zeit, an Bord zu gehen“, strahlt sie. Kein Schiff, kein Flugzeug, es ist der „Tren a las nubes“; der legendäre Zug in die Wolken im Nordwesten Argentiniens. Hunderte Touristen haben sich angesichts der Kühle des Morgens gut eingemummt. Die erfahrenen mit Thermoskannen, Wasserflaschen und Proviantschachteln im Handgepäck; auch die fliegenden Händler vor dem Bahnhof General Belgrano in Salta sind bereits auf den Beinen. Ein Schluck heißen Tees oder Kaffees, Plastiktütchen mit Coca-Blättern, das feilgeboten wird, nehmen die Touristen gern. Es wird später gebraucht. Schließlich geht es von 1187 Meter auf eine Höhe von knapp 4200 Meter und da sollte man gegen die Höhenkrankheit und Kälte gewappnet sein – Coca-Blatt oder Aspirin, man muss fest daran glauben, dann hilft es. Der Pullover aus Alpaka-Wolle ist dafür immer zuverlässig.

Rund 50 Menschen pro Waggon füllen den Zug, insgesamt fasst der Tren mehr als 600 Passagiere. Dann kommt sogar eine zweite Lok zum Einsatz. Dieses Mal reicht die eine. Ein kurzer Blick in die Krankenstation im Sanitätswaggon – Sauerstoffflaschen, Atemmasken, Liegen zum Ausruhen und der beruhigende Anblick eines Doktors lassen die Reisenden durchatmen. Punkt 7:05 Uhr. Ein durchdringender Pfiff, dann setzt sich die Diesellok ruckelnd in Bewegung. Zunächst werden aber die Hartplastikjalousien vor den Fenstern heruntergezogen. „Bitte lassen Sie sie die nächsten 30 Minuten geschlossen“, sagt Romina, „aus Sicherheitsgründen“. Offensichtlich mögen nicht alle Anwohner den Touristenzug, egal, draußen ist es eh noch dunkel, man verpasst nichts. Apropos Sicherheit. Die wird ganz groß geschrieben, seit vor ein paar Jahren einmal ein Zug in den Anden mit einer Panne strandete und die Passagiere stundenlang in eiskalter Höhe ohne Verpflegung und genügend Decken ausharren mussten. Die Zugbetreiber verloren danach die Lizenz und jetzt leiten drei Familien das Unternehmen. Nach einer mehrjährigen Pause fährt der Touristenzug seit Anfang August 2008 wieder und die Panne soll sich nicht wiederholen. Mindestens zwei Jeeps fahren parallel zum Zug, sichern die unbeschrankten Bahnübergänge, indem sie sich mit blinkendem Gelblicht quer stellen, und hupen herumziehendes Vieh von den Schienen.



„Der Traum, die Zentralkordillere zwischen Argentinien und Chile auf dem Schienenweg zu überwinden, um den Pazifik zu erreichen, ist 100 Jahre alt“, berichtet der Argentinien-Experte Rolf Seeler. Nachdem die Machbarkeit des Projekts mit Hilfe dreier Ford Tin Lizzies erwiesen war, gab der Staatspräsident Hipólito Yrigoyen im Februar 1921 das Startsignal zum Bau des „Transandino del Norte“. Kein einfaches Unterfangen für den US-amerikanischen Bauleiter Richard Fontaine Maury und es sollte noch 27 Jahre dauern, bis die Ingenieure mit Hilfe eines 1300 Mann starken Bautrupps aus aller Herren Länder das Meisterwerk vollendet hatten. Darunter ein Kroate namens Josip Broz, der spätere Marschall Tito. Und Heinrich Fedor Walter aus Dortmund, der mit seiner Frau Bertha um 1890 ausgewandert war, und für den Bau des immensen Schienenbaus seine Erfahrung als Konstrukteur einbrachte. Sein Ururenkel Federico San Juan Walter arbeitet heute für das Tourismusamt in Salta und begleitet deutsche Gäste in Ballack-Trikot und mit Rammstein-Dröhnung im Ohr hinauf zum 63 Meter hohen und 224 Meter langen Viadukt La Polvorilla, dem Endpunkt des Touristenzuges.

Davor muss die Lok über mehrere Zickzack-Wege und zwei spiralförmige Windungen unzählige Steigungen, Tunnels, Kurven und Brücken überwinden, bis sie dann ihre Passagiere in die Mitte des Viadukts bringt. Schwindelfreie genießen dann die Aussicht auf die Steinwüste des Hochlands (Puna), weniger robuste versuchen, mit Sauerstoff pur die stärker werdenden Kopfschmerzen zu lindern. Nach einer Distanz von 220 Kilometer stoppt der Tren für eine halbe Stunde und bringt fotografierende und nach Luft japsende Besucher mit einheimischen Indigenas zusammen, die ihre kunsthandwerklichen Produkte zum Kauf anbieten. Doch das Interesse gilt dem „Wolken-Zug“. Dessen Name stammt übrigens nicht von den gelegentlichen Cumulus-Gebilden, sondern ist die Erfindung des Journalisten Emilio Petcoff, den Anfang der 60er Jahre der Dampfausstoß der damaligen Lok an Wolken erinnerte. In seiner Anfangszeit transportierte der „Transandino“ vor allem die Bodenschätze des Hochlands wie Salpeter, Borax und Lithium in die chilenische Küstenstadt Antofagasta sowie Nahrungsmittel und Werkzeug für die Minenarbeiter. Erst Ende 1971 entschloss sich die Ferrocarril General Belgrano, den Zug als touristische Attraktion zu nutzen. Ein zugkräftiger Name war bereits vorhanden und am 16. Juli des folgenden Jahres fand die Jungfernfahrt des „Tren a las nubes“ mit einer Handvoll Touristen statt. 37 Jahre später fährt er dreimal die Woche von Salta und zurück mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 Stundenkilometer. Insgesamt dauert der Trip einen ganzen Tag, erst gegen Mitternacht erreichen die erschöpften, aber erfüllten Passagiere die Ausgangsstation. 140 US-Dollar kostet diese einmalige Ausfahrt für ausländische Touristen, 100 für argentinische und 60 für Einheimische. Frühstück und übersichtliches Mittagessen inklusive.

Nach dem Viadukt stoppt der Zug auf der Rückfahrt ein zweites Mal in San Antonio des los Cobres. Knapp 5000 Einwohner hat das 3774 Meter hoch gelegene Bergarbeiterstädtchen, die sich bei Ankunft des Touristenzugs alle vor dem Bahnhof zu versammeln scheinen. Neben den Ponchos aus Lamawolle und anderem handwerklichen Sortiment gibt es Tortillas aus der Gusspfanne, die sofort reißenden Absatz finden. Ausschließlich auf dem Markt ist für ein paar Pesos „natürliches Viagra“ zu haben, erzählt Zugbegleiter Sebastian Constanzo schmunzelnd. Die Munja-Munja-Pflanze ist dem Mann vorbehalten und stärkt nebenbei generell das Immunsystem, während für die Senoras „Baila buena“ empfohlen wird. Von San Antonio aus kann man eine Ausfahrt zu den großen Salinen machen, die Gold- und Silberminen Concordia besichtigen oder das La Polvorilla Viadukt einmal von unten bestaunen. Übernachtet wird dann in der gepflegten Hosteria des las Nubes oder etwas einfacher mit Familienanschluss in La Posta de los Andes. Zurück nach Salta nimmt am besten einen geländegängigen Kleintransporter, der einen über die Nationalstraße 51 in die Provinzhauptstadt bringt.

Dank der guten Flugverbindungen, zum Beispiel mit der zwei Jahre jungen Airline Andes Lineas Aéreas, nach Buenos Aires und seiner zentralen Lage zwischen den Provinzen Tucumán im Süden und Jujuy im Norden eignet sich Salta als idealer Ausgangspunkt für touristische Expeditionen. Zum Beispiel in die Quebrada de Humahuaca. Diese 70 Kilometer lange Schlucht in der Provinz Jujuy wurde 2003 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. „Für Ausflüge in die Quebrada ist das Städtchen Purmamarca zu empfehlen“, sagt Dr. Jorge Noceti, Tourismusdirektor der Provinz Jujuy. In seinem Zentrum befindet sich die Santa-Rosa-Kapelle aus dem 17. Jahrhundert, aber weitaus beeindruckender ist die Kulisse der steinigen Umgebung. Beim richtigen Lichteinfall wird einem sofort klar, warum der Berg „Cerro de los siete colores“ seinen Namen bekommen hat. In mehr als sieben Rottönen schimmert und leuchtet das Massiv und zieht den Betrachter in einen surrealen Bann. So ähnlich muss es auf dem Mars aussehen, fällt einem unwillkürlich ein, wenn man auf dem 30-minütigen Rundweg eine von Wind und Regen ausgewaschene Landschaft bestaunt, die bizarre Wegweiser ins Nirgendwo hervorgebracht hat. Nirgendwo stimmt nicht ganz, denn eine rotbraune Naturskulptur zeigt bestimmt in Richtung Tilcara, das nicht nur durch seine rekonstruierte Indianerfestung Pucará überzeugt. Vom höchsten Punkt der strategisch angelegten Siedlung hat man einen Panoramablick über die ganze Quebrada. Feindliche Stämme hatten keine Chance, sich unbemerkt der Pucara zu nähern. In Tilcara bieten örtliche Veranstalter Trekking-Touren zu Fuß, mit Mulis oder Lamas an. Kurz nachdem man den Wendekreis des Steinbocks passiert hat, gelangt man in die 8000 Einwohner zählende „Hauptstadt der Quebrada“, Humahuaca. In dem Bergarbeiterort ballen sich Einheimische und Touristen jeden Tag um 12 Uhr Mittag vor dem früheren kolonialzeitlichen Rathaus zusammen. Mit Spannung wird eine Figur des Heiligen Franziskus erwartet, der sich durch die Fassadentür schiebt; angetrieben von einem Mechanismus aus Oberammergau. Es ist nicht aufgeschlüsselt, wie viele Besucher aus Oberbayern das Schauspiel beobachten, deutsch wird aber recht häufig gehört.

In Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires kamen laut Statistik des Tourismusamtes Travel Argentina 2007 rund 552.000 Besucher aus Europa an. Darunter rund 41.000 Deutsche, die nach Spanien (262.000), Italien, England und Frankreich den fünften Platz einnehmen. Damit wurde die Zahl der deutschen Gäste von 2006 um sieben Prozent übertroffen. Mehr als die Hälfte davon kamen, um Urlaub zu machen, gut ein Fünftel besuchte Familienangehörige sowie Bekannte und knapp 20 Prozent gaben geschäftliche Gründe an. Dabei fällt auf, dass mehr als 74 Prozent auf eigene Faust das Land der Pampas erkundigten. Die Deutschen sind gern gesehene Gäste in Argentinien, denn „sie bleiben im Durchschnitt fast 25 Tage im Land“, freut sich Oscar Suarez, Market Manager Europe. Dabei würden sie für Steaks, Matetee und Übernachtungen insgesamt mehr als 1600 US-Dollar ausgeben.

Informationen zum „Wolken-Zug“ im Internet unter www.trenalasnubes.com.ar




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