Fürsorgepflichten bei dienstlichen Reisen stehen beim „Forum Sicherheit und Reisen“ auf der CMT 2009 in Stuttgart im Mittelpunkt Besonders in Zeiten steigenden Kostendrucks wird beim Travel Management der Rotstift gezückt. Es muss bei Geschäftsreisen auch billiger gehen, heißt dann die Vorgabe. Doch so bedeutend direkte und indirekte Kosteneinsparungen auch sind, so darf die Zufriedenheit der Geschäftsreisenden nicht außer Acht gelassen werden - guter Service und Flexibilität bei der Reiseabwicklung bleiben wichtig. Und noch etwas: die Sicherheit. Doch hier herrscht in vielen Unternehmen erschreckende Ahnungslosigkeit. Ein ressortübergreifendes Mobility Risk Management ist in der betrieblichen Praxis die Ausnahme. Wer sich über die ganze Bandbreite beruflicher Mobilität informieren möchte, für den ist das „Forum Sicherheit und Reisen“ das Richtige. Diese neue interdisziplinäre Kommunikationsplattform für alle Teilnehmer und Aspekte des Themas Sicherheit auf Reisen findet am 19. und 20. Januar 2009 im Rahmen der Stuttgarter Touristikmesse CMT im ICS Internationales Congresscenter Stuttgart statt (www.securityshow.de ).
Maschinen sind in Deutschland besser versichert als Menschen, heißt eine provokante These derjenigen, die hinter die Kulissen in deutschen Betrieben blicken. Typisch der Befund, dass der Werkschutz die Produktionsanlagen bestens bewacht und dass das Betriebsvermögen von Gefahren professionell abgeschirmt wird. Auch dem Arbeitsschutz in Fabriken und Büros gilt meistens hohe Aufmerksamkeit. Eine Selbstverständlichkeit, dass die Feuerlöscher regelmäßig geprüft werden. „Doch die Risiken für reisende Mitarbeiter fallen in ein Schwarzes Loch“, berichtet Gerd Otto-Rieke, der zusammen mit Jürgen Schaefer das Forum in Stuttgart organisiert. Hier herrsche oft ein Wirrwarr an Pseudo-Zuständigkeiten und die Unwissenheit über gesetzliche Fürsorgepflichten mache vor den Chefetagen nicht Halt. Weder existierten rudimentäre Krisenpläne noch Ansätze von Sicherheitskonzepten. Die Gefahren für Leib und Leben der Reisenden würden oft ebenso ignoriert wie die Datensicherheit auf Reisen – ein eigenes düsteres Kapitel.
„Mehr als fahrlässig handelt, wer glaubt, dass sich das deutsche Sozial- und Versicherungssystem schon um alle Eventualitäten kümmert“, sagt Otto-Rieke. Dass Berufsgenossenschaften und Krankenkassen die medizinische Grundversorgung weltweit komplett abdeckten und dass mit Kreditkartenversicherungen und der ADAC-Mitgliedschaft das Restrisiko abgehakt sei. So erschreckend es klingen möge, „dieser Irrglaube ist weit verbreitet“. In gewisser Weise auch verständlich: Wer habe Lust dazu, das Kleingedruckte in Versicherungsverträgen zu lesen? Es werde schon gut gehen, man reise ja nicht in Kriegsgebiete, und Pech hätten immer nur die anderen…
Wer sich erstmals mit dem Thema Sicherheit auf Reisen beschäftigt, muss ja nicht mit den großen Katastrophenszenarien beginnen, mit Tsunami, Erdbeben oder Vogelgrippe, mit Entführung und Raubmord. Allein die alltäglichen Probleme bedürfen der Vorsorge. Ob Verkehrsunfall in Italien oder Blinddarmentzündung in New York, ob Kreditkartenverlust in Kuala Lumpur oder Laptop-Diebstahl in Russland – wer kümmert sich um die Folgen? Selbst drei Tage Nebel in Heathrow können aus Betriebssicht eine Krise auslösen, für den betroffenen Reisenden ohne Hotelreservierung und nur mit Handgepäck allemal.
Gibt es für dieses und anderes Ungemach einen 24-Stunden-Ansprechpartner (Zeitverschiebung!) mit Abwesenheitsvertretung, der für Notfälle trainiert ist und kompetent für Schadensbegrenzung sorgt? Ist festgelegt, wer wann wie die Geschäftsleitung, Angehörige, Versicherungen und Behörden (welche?) informiert? Kann man sich auf Partner verlassen, die über erstklassiges Know-how verfügen, schnell und unbürokratisch vor Ort helfen, die die Landessprache sprechen, auf ein funktionierendes Netzwerk zurückgreifen?
Arbeitgeber, die sich erst im Ernstfall mit Klauseln wie „medizinisch notwendig“ im Gegensatz zu „medizinisch sinnvoll“ beschäftigen oder die die über verschiedene Abteilungen verteilten Versicherungsunterlagen aufstöbern, entstauben, zusammentragen, lesen und verstehen müssen, leisten einen Offenbarungseid in Sachen Verantwortung. Hand aufs Herz: Wissen Sie, was die Europäische Krankenversicherungskarte (EKVK) abdeckt und was nicht? Kennen Sie die wichtigsten arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen?
Wie erheblich die Blauäugigkeit in den Betrieben ist, wird durch Untersuchungen immer wieder bewiesen. So hat kürzlich eine Umfrage vom IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung in Kooperation mit handelsblatt.com ergeben, dass gerade mal fünf Prozent der zwei Millionen Arbeitnehmer, die jährlich beruflich in die Ferne reisen, ihre Gesundheit unter arbeitsmedizinischen Bedingungen schützen. Besonderer Nachholbedarf zeigt sich bei Unternehmen bis fünfzig Mitarbeiter. Hier wird die Aufklärung über Gesundheitsrisiken in Reisegebieten von 85 Prozent der Befragten vernachlässigt. Immer noch weitgehend unbekannt ist zum Beispiel der 30 Jahre alte sogenannte G35, der sich mit dem Arbeitsaufenthalt im Ausland unter besonderen klimatischen und gesundheitlichen Bedingungen beschäftigt. Dabei geht es nicht um Dschungelexpeditionen – weiß ein Reisender, dass neuerdings für Prag-Aufenthalte eine Hepatitis A-Impfung empfohlen wird?
Zur Fürsorgepflicht und Absicherung gehört die Aufklärung über das Reiseland. Mehr als 3000 Bundesbürger sitzen derzeit in ausländischen Gefängnissen, so das Auswärtige Amt. Die Delikte reichen von Drogenstraftaten über Nacktbaden bis zur Ausfuhr von echten oder vermeintlichen Antiquitäten. In den USA droht in einigen Bundesstaaten bei groben Verkehrsdelikten eine Haftstrafe, während in Thailand abfällige Bemerkungen über das Königshaus strafbar sind. Prävention durch Information heißt hier das Stichwort für verantwortungsbewusste Arbeitgeber.
Wenn das nächste Mal in London oder Madrid Großalarm ausgelöst wird: Ist bekannt, ob sich ein Mitarbeiter zurzeit in dieser Stadt aufhält? Gibt es zuverlässige Informationen, auch wenn keine Handy-Verbindung zustande kommt? Assistancen und gute Reisebüros bieten Lösungen für diese Fragen an, allerdings nicht erst in der Krise. Wer für den Notfall gewappnet sein will, koordiniert sich rechtzeitig mit festgelegten Anlaufstellen und bereitet zügige Lösungen vor, ob bei gestohlenen Ausweis- und Reisedokumenten, beim Rücktransport von Erkrankten in die Heimat oder juristischem Beistand am anderen Ende der Welt.
Und wie steht es mit der Sicherheit in weiteren Mobilitätsbereichen, zum Beispiel dem Fuhrpark? Nur knapp die Hälfte der Fuhrpark-Verantwortlichen in Deutschland setzt mindestens eine Maßnahme ein, um die Sicherheit ihrer Dienstwagenfahrer zu steigern, berichtet die Zeitschrift „Autoflotte“. Ebenso im Argen liegt das Sicherheitsbewusstsein bei selbstorganisierten Veranstaltungen. Sind Feuerwehr und Rettungssanitäter involviert, kümmert sich jemand um Fluchtwege? Auch hier können Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften schnell zu haftungsrechtlichen Konsequenzen führen.
Sicherheit bei beruflicher Mobilität ist eine Querschnittsaufgabe, an der so unterschiedliche Bereiche wie Geschäftsführung, Chefsekretariat, Personalabteilung, Security/Werkschutz, Travel Management, Fleet Management, Event Management, IT, Procurement und Versicherungseinkauf beteiligt sein sollten. Gute Fürsorge für Mitarbeiter dient auch dazu, den Leidtragenden hinterher noch ins Auge schauen zu können. Corporate Responsibility ist ein leeres Versprechen, wenn nicht der Mensch gesehen wird.