Statement Axel Meffert, Geschäftsführer der Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG Traditionell ist die Süddeutsche Spielemesse so kurz vor Weihnachten ein wichtiger Orientierungspunkt für Endverbraucher, um sich auch zum Thema Spiel mit letzten Kaufentscheidungen auszustatten. Kein anderes Land der Erde verfügt über eine vergleichbare Spiele-Kultur wie Deutschland, wo es eine von Jahr zu Jahr steigende Anzahl an Neuheiten gibt und zunehmend auch ausländische Verlage mit Brett-Spielen bei uns auf den Markt drängen, die in Qualität und Thema eine Bereicherung darstellen. Da haben Endverbraucher-Messen die wichtige Funktion, den Familien den Überblick durch eigenes Spielen zu ermöglichen und ihnen die Kaufentscheidung zu erleichtern.
Was in den Spielwarengeschäften nur selten möglich ist, kann hier unter kundiger Anleitung von Spiel-Erklärern der Verlage ausgelebt werden und nirgendwo kann man die Faszination mehr spüren als an den Spieletischen bei Endverbraucher-Messen, wenn Menschen in völliger Konzentration sich mit einem neuen Spiel befassen und davon ergriffen sind. „Es ist das Spiel und nur das Spiel, das den Menschen vollständig macht“ sagt Schiller. Ich wünsche dieser Messe wieder ganz ganz viele solcher Menschen.
Der Markt
Vor wenigen Tagen fand die Jahrespressekonferenz der Spielwarenbranche statt und zwei Motive standen ganz im Vordergrund:
1. Auch wenn noch kein grundsätzlicher Wechsel der Größenordnung zu erkennen ist, so sind doch erstmals die Geburten wieder ganz leicht gestiegen. Nur wenige Branchen hängen in ihrer Entwicklungsmöglichkeit so wie die Spielwarenbranche an Tropf der demografischen Entwicklung. Auch wenn versucht wird, durch besonders gestylte Spiele die Senioren als Käufer und Nutzer neuer Spiele zu gewinnen, so bleibt doch auch zukünftig die Familie und das Kind der Zielpunkt unserer Anstrengungen. Angesichts einer erstrebenswerten gesellschaftlichen Umschichtung zu einer Multikulti-Gesellschaft, in der sich das deutsche Kulturgut Spiel auch auf dem Marktplatz unterschiedlicher Kulturen und Migrationshintergründe bewähren muss, lebt der Wirtschaftsfaktor Brettspiel in dem Maße weiter, wie es uns gelingt, auch diese Neubürger als Konsumenten zu gewinnen. Hier sehe ich übrigens nicht nur eine Aufgabe der Produktmacher und Verlage, sondern auch der Handelsunternehmen, die gezieltere Anstrengungen unternehmen müssen, um alle Schichten unserer Gesellschaft als Konsumenten und Besucher ihrer Geschäfte zu gewinnen. So haben wir bei KOSMOS ein Eventprogramm für den Fachhandel aufgelegt, der Frequenz am POS erzeugen soll, damit die Bemühung des Fachhandels nach Attraktivität beim Endverbraucher unterstützt wird. Hier spielen neben den traditionellen Spielwarengeschäften mit Fachhandelsstruktur auch solche Geschäfte eine Rolle, die entweder als SB-Märkte über temporäre Spielwarenangebote verfügen oder Spielwaren im Umfeld von attraktiven Parfümerieartikeln feilbieten. Wo die demografische Basis nur langsam wächst – und vor allem dort wächst, wo wir das Kulturgut Spiel nicht als Selbstverständlichkeit antreffen – müssen gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, alle Konsumenten an unterschiedlichen Geschäftsorten zu gewinnen. Die Frage einer breiten Distribution wird daher immer wichtiger.
2. Das zweite Motiv der Jahrespressekonferenz des Verbandes war die Frage der Spielzeugsicherheit. Nun mag man meinen, dass dies bei Kinderspielen und Familienspielen nur eine unbedeutende Rolle spielt, nichtsdestoweniger sind angesichts vielfältiger Inhaltsstoffe aus Kunststoff oder Holz auch bei Brettspielen diese Normierungen einschränkend. Auch wenn unsere Spiele fast ausschließlich in Deutschland gefertigt werden, so bewirken die Prüfverfahren und die europaweit geltenden Stoffverbote Einschränkungen, die sich zum Beispiel bei Experimentierkästen mittelfristig so auswirken können, dass bestimmte Angebote von heute dann nicht mehr möglich sind.
Müssen wir denn wirklich davon ausgehen, dass Kinder alles in den Mund nehmen und verschlucken? Können wir die Rolle der Eltern hier nicht wieder stärker einfordern und sie in die Verantwortung nehmen? Können Sie sich die Enttäuschung eines enthusiastischen Kindes von 10 Jahren vorstellen, wenn es vielleicht im Jahr 2015 beim Öffnen eines Chemiebaukastens nichts mehr findet, was stinkt und pufft? Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert, den Bogen der Sicherheitsanforderungen nicht zu überspannen.
In wirtschaftlicher Hinsicht steht aktuell in 2008 die Warengruppe Spiel, inklusive der Puzzles ganz gut da, und wird sich voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder als stärkste Produktgruppe im Gesamtspielwarenmarkt erweisen: Starke Kinderspiele, Zuwächse im Segment der Reise- und Mitbringspiele sowie preisgekrönte Spiele-Neuheiten halten das Marktgeschehen – trotz eines deutlichen Abflauens des Booms bei Pokerspielen – so gut in der Waage, dass sich der Marktanteil von Spielen am Gesamtspielzeugmarkt bis zum Jahresende 2008 voraussichtlich wieder zwischen 17 und 18 Prozent einpendeln wird.
Es mag paradox klingen, aber in Krisenzeiten – von denen ja momentan gesprochen wird – haben Brettspiele Hochkonjunktur, man besinnt sich auf Werte. Der Schachweltmeister Emanuel Lasker hat mal gesagt: „Das Spiel gibt uns Genugtuungen, die das Leben uns versagt.“
Lassen Sie mich aber zum aktuellen Marktgeschehen noch eine weitere Anmerkung machen. Der spürbare Trend zum Digitalen und die sichtbaren Wachstumsraten bei Konsolenspielen und allen PC- oder auch TV-Schirm gestützten Spielformen wird von uns Brettspielverlegern sorgfältig beobachtet. Indem zum Beispiel „Die Siedler von Catan“ nicht nur auf der Brettspieloberfläche erweitert und durch die aktuelle Deutschland-Edition besonders gepusht werden, sondern auch auf digitalen Oberflächen als Handyspiel, als Konsolenspiel oder auch demnächst auf der Wii-Plattform Verbreitung findet, versuchen wir alle unterschiedlichen Nutzer zu erreichen. Aber es bedarf schon besonderer Anstrengungen, den heute ca. 9- bis 12-jährigen männlichen Konsumenten noch für das traditionelle Brettspiel zu begeistern, vor allem dann, wenn eine Familienatmosphäre gepflegt wird, die das gemeinsame Spiel nicht mehr kennt.
Hier setzen Programme der Branche und insbesondere der Fachgruppe Spiel im Deutschen Verband der Spielwarenindustrie an, die über Initiativen wie „Spiel fördert Schule“ und „Spiel macht Schule“ die Schulen – vor allem die Ganztagsschulen als Transmissionsriemen nutzen. Erkenntnisse der Hirnforschung, insbesondere im Umfeld des Ulmer Spezialisten Prof. Spitzer, haben uns mit Erkenntnissen zur Sozialentwicklung, Sprachförderung und intellektuellen Entwicklung bei Kindern versorgt, die dem Spiel in der Schule eigentlich einen Siegeszug ermöglichen sollten – hoffen wir einmal, dass sowohl Kultusbehörde als auch Lehrer die Chance wahrnehmen. Zumindest sind die in den letzten zwei Jahren mit der Brancheninitiative erreichten Erfolge vielversprechend und zeigen, dass sich die Branche jenseits von Konkurrenzdenken zu zukunftsfähigen Konzepten bekennt und sie auch durchsetzt.
Trends
Einzelne Entwicklungen, die das Produktangebot bei Kinder- und Familienspielen prägen, habe ich schon angesprochen: Zunehmend vielfältiges Angebot, ausländische Brettspielverlage drängen auf den zunehmend europäischen Markt, ausdifferenziertes Angebot jeweils für unterschiedliche Altersgruppen, auch für Senioren.
Neben den monothematischen Spielen, deren Thema ohne Anbindung an vorhandene „Medientapeten“ seine Kraft entfaltet, sind in den letzten Jahren in der Folge von „Der Herr der Ringe“ sogenannte Literaturspiele auf den Markt gekommen – insbesondere auch bei KOSMOS – die alle nur den Zweck verfolgt haben, das Interesse an der Produktklasse Brettspiel nicht nur wach zu halten, sondern zu verbreitern. Die Affinität und Schnittmenge einer bildungsbürgerlich orientierten, lesekundigen Zielgruppe zu einer Brettspiel erfahrenen Zielgruppe erwies sich so groß und tragfähig, dass das Brettspiel nicht nur für Familien, sondern auch für Kinder dadurch eine echte Bereicherung erfuhr. Das Kinderspiel des Jahres 2005, „Das kleine Gespenst“, gehört ebenso in die Reihe dieser KOSMOS-Spiele wie „Der kleine Prinz“, „In 80 Tagen um die Welt“, „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“, „Tintenherz“ oder das 2007 mit dem Deutschen Spielepreis ausgezeichnete Spiel „Die Säulen der Erde“, dessen überragender Erfolg auch in 2008 anhält.
In diesem Jahr sind „Der Schwarm“ und „Der Hexer von Salem“ als weitere Romanverspielungen dazugekommen und auch Ravensburger ist mit „Im Namen der Rose“ auf den Zug aufgesprungen.
Romanverspielungen – warum soll es nur Romanverfilmungen geben – sind auch bei Kinderbuchromanen nicht ungewöhnlich: „Die kleine Hexe“, „Die Hexe Lilli“, „Die Olchis“, „Pippi Langstrumpf“ und „Die wilden Fußballkerle“ sind hier ebenso zu nennen wie „Die wilden Hühner“, „Conni“, „Sternenschweif“ oder „Die drei Fragezeichen“.
Eine exklusive Zusammenarbeit zwischen den Verlagen KOSMOS und Oetinger/Dressler ermöglicht es uns, auf der Grundlage erfolgreicher Funke-Romane oder Lindgren-Character Spielangebote für Kinder und Familien zu entwickeln. Die Markenabstrahlung des Romans und Buchautors wird auf der neuen Produktoberfläche Spiel genutzt, um Konsumenten zu begeistern.
Aber nicht nur Romane bilden eine willkommene mediale Basis, auf der sich Spiele entwickeln lassen. Mein persönlicher Spruch lautet, wenn ich mit Buchverlegerkollegen zusammentreffe: „Wir verspielen Ihre Bestseller!“ Der Erfolgsweg von „Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod“ und seiner Derivate ist dafür das beste Beispiel. Übrigens zeigten sich an dieser Stelle Wechselwirkungen: Der Spielerfolg kann durchaus zur Bekanntheit und Absätzen des Buches beitragen.
Keltis
Mit der Auszeichnung Spiel des Jahres 2008 für das KOSMOS-Spiel „Keltis“ und der Auszeichnung Kinderspiel des Jahres 2008 für das Ravenburger-Spiel „Wer war’s“ hat Dr. Reiner Knizia endgültig den Erfolgsgipfel und das Traumziel aller Spieleautoren erreicht.
Beide Spiele sind starke Titel und erscheinen in marketingstarken Verlagen, so dass sie dem Umsatzgeschehen im letzten Quartal 2008 zusätzlichen Schub verleihen werden. Und bei einer in Stuttgart stattfindenden Süddeutschen Spielemesse darf auch besonders darauf hingewiesen werden, dass beide preisgekrönten Spiele aus Verlagen stammen, die ihren Sitz im „Ländle“ haben.
Mit seinem vor zehn Jahren erschienenen Zweipersonenspiel „Lost Cities“ hatte Dr. Reiner Knizia einen der erfolgreichsten Titel in unserer Zweierspielreihe beigesteuert. Immer wieder wurden sowohl der Autor als auch der Verlag mit der Frage konfrontiert, warum es ein Spiel wie „Lost Cities“ nicht auch in einer Version für mehr als nur zwei gebe und damit als wirkliches Familienbrettspiel geben würde.
Mit „Keltis“ legte KOSMOS nun im Jahr 2008 ein Mehrpersonenspiel vor, das die reizvollsten Elemente des erfolgreichen Zweierspiels „Lost Cities“ aufgreift und sie in ein neues, faszinierendes spielerisches Umfeld stellt. „Keltis“ erwies sich als rundum gelungenes Projekt und wurde im Juli von der Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Hauptpreis „Spiel des Jahres 2008“ ausgezeichnet.
„Keltis“ ist so spannend, dass mancher Spieler seinen Zug kaum erwarten kann“, sagte Stefan Ducksch, Sprecher der Jury „Spiel des Jahres“, anlässlich der Preisverleihung in Berlin. Er lobte zudem die kurze, eingängige Spielregel. „Wenn man Keltis gewinnt, hat man natürlich gut gespielt. Eine Niederlage schiebt man hingegen auf die unglückliche Verteilung der Spielkarten und verlangt eine Revanche.“ Die ist bei nur knapp 30 Minuten Spielzeit immer drin.“
Heute, ca. 4 Monate nach der Preisverleihung in Berlin haben wir etwa 300.000 Exemplare in den Markt gebracht und hoffen auf noch mehr. Ganz bewusst hatten wir uns in der Ausstattung und Preisstellung von Keltis an veränderten Konsumgewohnheiten orientiert und einen Preis unter 25 Euro angestrebt. Ich denke, das Kalkül geht auf, so dass wir bis Ende des Jahres dem Handel und dem Endverbraucher mit vielleicht 400.000 bis 450.000 verkauften Exemplare die Güte des Spiels und die Marketingkraft der Auszeichnung vor Augen geführt haben.
Ich wünsche der Messe hier in Stuttgart viele glückliche Keltis-Spieler, die an unseren KOSMOS-Tischen sich von dem kurzweiligen Spiel einfangen lassen und es zu Hause in vielfältig neu zusammengesetzten Spielrunden weiterspielen, um über den Schneeball-Effekt und die Mund-zu-Mund-Propaganda den Grundstein für den Aufbau einer erfolgreichen Keltis-Familie zu legen.