50 Jahre ISH und 50 Jahre Badkultur
Von der standardisierten Nasszelle zum WohnbadEs gibt nicht viel, was den Weg unserer Gesellschaft von einer norm-orientierten Wertegemeinschaft zu einer offenen, genuss- und erlebnisorientierten Gemeinschaft von Individualisten deutlicher verkörpert als das Bad. Unser Bild von dem idealen Badezimmer hat sich in den letzten 50 Jahren von der standardisierten Nasszelle zu einem Wohnbad gewandelt, das genauso der Entspannung, der Fitness und dem Spaß dient wie dem Basisanspruch an die Körperhygiene. Ganz zu schweigen von der ästhetischen Qualität, die mit dem heutigen Produktangebot und moderner Badplanung möglich geworden ist.
Dieser Wandel kann in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug eingestuft werden, bedenkt man, welche Widerstände die Metamorphose dieses alltäglichsten aller Wohnräume zu überwinden hatte und immer noch zu überwinden hat. Sicherlich war der größte Schritt – die Entwicklung der technischen Voraussetzungen und die Integration des Bades samt Waschgelegenheiten und Toilette in das Haus bzw. die Wohnung – Ende der Fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts bereits getan. Zumindest im Prinzip. Die Anfangsjahre standen bis zum Erreichen einer Vollausstattung der Haushalte Ende der Siebziger Jahre noch ganz im Zeichen der Standardisierung, mit der die Entwicklung neuer Produkte in festen Bahnen verlief. Doch damit entstand auch die feste Symbiose von Produkt und Funktion, von Technik und Form, die so charakteristisch für die Sanitärbranche ist – und einmalig in der Welt des Interior Designs.
Nüchterne Zeiten im Bad
Zu Beginn der ISH-Ära, in den Sechziger Jahren, war so etwas wie Aufbruchstimmung festzustellen, die auch einen formalen Neubeginn getragen hätte. Dass daraus dennoch kaum nennenswerte Designlösungen entstanden, lag zum einen an der geringen Wertschätzung des Bades als „Zimmer“, zum anderen aber natürlich auch an den Gestaltern dieser Sanitärobjekte. Denn das waren keine Gestalter, sondern Ingenieure. Die Kunden wollten effiziente, leicht sauber zu haltende Bäder, und die Ingenieure kamen genau diesem Bedürfnis nach und fügten ein wenig Komfort hinzu.
Im Grunde entdeckte das Design das Bad erst in den Siebziger Jahren. Bis dahin – und in der Massenproduktion auch weit darüber hinaus – beschränkte sich das Design auf die Oberfläche, sprich die Farbgebung. Ganz allmählich wurden die Menschen experimentierfreudiger und ließen neben den warmen, erdigen und vor allem pastellfarbigen Fliesen und Keramiken auch kräftigere Töne ins Bad.
Design erobert das Bad
Mitte der Siebziger Jahre, als das internationale Design sich schon von dem Funktionalismus der Moderne abwandte, kam auch im Bad der Auslöser für eine formale Weiterentwicklung. Fast könnte man in Luigi Colani den Prinzen sehen, der das Bad aus besagtem Dornröschenschlaf wachküsste. Alle Marktteilnehmer sind sich einig, dass sein für Villeroy & Boch entworfenes Badprogramm revolutionär war, und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht: Es zeigte eine neue, ergonomisch begründete Formsprache und führte auf der ISH 1975 die Durchgängigkeit der Formsprache bei allen Produkten ein – und damit das Kollektionsprinzip im Baddesign.
Nachdem Colani die Tradition der rechtwinklig-nüchternen Ästhetik gebrochen hatte, schien alles möglich. Und der Markt, der von dem Bauboom in den Siebziger Jahren profitierte, bot den Spielraum für die gestalterische Emanzipation des Bades. Dennoch können erst die Achtzigerjahre als das Jahrzehnt des Designs bezeichnet werden, denn Sanitärhersteller und Kunden hatten anfänglich noch Berührungsängste. Auch die Wellness-Idee erlebte einen ersten Höhepunkt in der Branche. Produkt-Klassiker wie etwa die Armaturenlinie Tara (Dornbracht), die Kollektionen Giamo (Duravit) und Renova Nr. 1 (Keramag) oder der Einhebelmischer Ceramix (Ideal Standard) unterscheiden noch heute das Luxus- vom Standard-Badezimmer.
Das Bad wird endlich „Zimmer“
Die letzten gut zehn Jahre ist das Bad endlich zu einem richtigen Zimmer geworden. Und dies verdanken wir dem französischen Designer Philippe Starck und seiner ersten Kollektion für eine Reihe von Sanitär-Herstellern im Jahr 1994. Starck fasste die Produkte wie Mö-bel auf, die mehr oder weniger frei im Raum zu platzieren waren. Selbst die Badewanne wirkte nicht wie ein Fremdkörper, wenn Starck sie mitten im Wohnraum platzierte. Nach und nach wurde das Bad wohnlicher, die Hersteller boten Badmöbel und komplette Badezimmerkonzepte an. Unter ihnen könnte das Badmöbelprogramm rc40 (Burgbad) wegweisend genannt werden, und unter den Armaturen sind die Ästhetik von Mem (Dornbracht) und die Raffinesse der Handbrause Raindance (Hansgrohe) Meilensteine. Zeug zu modernen Klassikern haben auch die Kollektion Link (Ceramica Flaminia) und der Waschtisch Vero (Duravit) sowie die Duschfläche Floor (Bette), die das bodengleiche Duschen zum Serienhelden macht.
Der Konsument träumt nicht mehr von einem opulenten öffentlichen Bad und will kein privates Renommierstück, sondern eine private Insel. Keine pflegeleichte Funktionszelle und auch nicht einfach eine Wanne in einem Zimmer, sondern ein eigenes Zimmer zum Baden, zur Erfrischung, zur Körperpflege, zum Relaxen, zum Sich-Schön-Machen, zum Musik Hören und Sich-Wohl-Fühlen. Das alles scheint heute so selbstverständlich. Und wenn wir zurückschauen, sehen wir, dass auch die Generationen vor uns das Bad intensiv genutzt haben. Doch sah das Bad nicht danach aus. Erst durch die wachsende Bedeutung und Akzeptanz der heimischen vier Wände als Rückzugsgebiet vor der lärmenden Welt wurde das Bad als Gestaltungsfläche entdeckt. Und damit war der Wunsch geweckt, das Bad zu einem repräsentativen Teil der Wohnung zu machen – zum eigenen Vergnügen.
Firma: Messe Frankfurt GmbH
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